Schumanns Lebensweg 1841-1856
 

Nicht weniger als 138 Lieder komponiert Schumann in diesem seinen „Liederjahr“ 1840, u.a. den „Liederkreis“ op.39, „Frauenliebe und- leben“ op.42 und die „Dichterliebe“ op.48. „Und Musik habe ich in mir, daß ich den ganzen Tag nur singen möchte. Vor allem aber will ich die Lieder aufschreiben - in den Morgenstunden von früh 6 - ...“ Die ersten Jahre des Zusammenseins mit Clara beflügeln ihn ungemein. Nach der Liederphase ensteht seine erste Sinfonie, die „Frühlingssinfonie“. Sind die Papillons der Frühling seines Klavierwerkes, so schreibt Schumann nun seine „Frühlingssinfonie“, im Leben mit Clara und im Schaffen in der Nachfolge Beethovens, Schuberts (C-Dur Symphonie) und Mendelssohns. Clara schreibt: „Ich bin ganz glücklich, Dienstag vollendete Robert seine Sinfonie; also angefangen und vollendet in vier Tagen..._ Ich muß Dir, mein lieber Mann, gestehen, ich hätte Dir eine solche Gewandtheit nicht zugetraut. Du flößt mir immer neue Ehrfurcht ein!!!“. Mendelssohn leitet die Uraufführung im Gewandhaus, die einer der größten Erfolge in Schumanns Leben wird.

Es entstehen in der Folge Ouverture, Scherzo und Finale op.52 für Orchester, der erste Satz des Klavierkonzertes op.54 und die erste Fassung der d-Moll Sinfonie (später op.120, seine vierte). Im September 1841 wird das erste Kind Marie geboren. Danach nimmt Clara ihre Konzerttätigkeit wieder auf. Zum ersten Mal bricht aber auch die Problematik einer Ehe von zwei gleichermaßen aktiven Künstlern nach außen. Erst nach ihrer Rückkehr von der Konzertreise kehren auch seine Lebensgeister zurück. 1842 ist das Jahr der Kammermusik: drei Streichquartette op.41, das Klavierquartett op.47 und das Klavierquintett op.44 enstehen. Im nächsten Jahr komponiert Schumann ein weltliches Oratorium „Das Paradies und die Peri“, dessen Uraufführung er selbst leitet und ein triumphaler Erfolg wird. Als Lehrer am neuen Konservatorium in Leipzig ist er weniger erfolgreich. Seine immer auffälliger werdende Schweigsamkeit können seine Schüler nicht verstehen.

Eine schwere Krise löst die Reise des Ehepaares nach Rußland aus. Clara spielt sehr erfolgreich. Robert leidet jedoch unter den Strapazen und seiner untergeordneten Rolle als Ehemann einer gefeierten Pianistin. Doch die russischen Musiker sind ergriffen von der Neuartigkeit seiner Musik, die einen großen Einfluß auf die jungen russischen Komponisten gewinnt. Danach ist Schumann unfähig zu arbeiten. Er legt die Redaktion der Zeitschrift nieder. Von ständigen Gehörstäuschungen gequält leidet er unter Schlaflosigkeit und Todesangst. Unter größten Mühen vertont er Teile aus Goethes Faust, ursprünglich für eine Oper.

Auf Anraten seines Arztes übersiedelt die Familie nach Dresden. Eingehende Bach-Studien verbessern langsam seinen Zustand. Es entstehen Sechs Fugen über BACH für Orgel oder Pedalflügel op.60, sowie Skizzen und Studien für Pedalflügel op.58 und op.56. Beim Pedalflügel wird am Flügel eine Pedalklaviatur angebracht. Das Ehepaar Schumann mietet sich ein solches Pedal, um Bachs Orgelwerke am Klavier spielen zu können. Für Klavier schreibt er die Fugen op.72.  Außerdem vollendet er in dieser schweren Zeit eines seiner schönsten Werke, das Klavierkonzert op.54 in a-Moll.

Im gleichen Jahr skizziert er auch seine zweite Sinfonie in C-Dur, nach deren Beendigung er sich wieder wohler fühlt. „Ja - ich denke so ne rechte Jupiter“ soll Schumann zu diesem Werk geäußert haben, welches Clara ganz besonders begeistert. In diese Zeit fällt auch die mehrfache Begegnung mit Wagner, von dessen Tannhäuser er nach anfänglich herber Kritik „von Vielem ganz ergriffen gewesen“ ist. „Er kann der Bühne von großer Bedeutung werden, und wie ich ihn kenne, hat er den Mut dazu.“ Doch bei der Musik „abgezogen von der Darstellung“ bleibt sein Verhältnis zwiespältig.

Inzwischen hat die Familie Schumann bereits vier Kinder. Nach einem mäßigen Erfolg mit der zweiten Sinfonie und einer erfolglosen Tournee mit Clara nach Wien mit dem Klavierkonzert und der ersten Sinfonie entstehen Klaviertrios. Außerdem beschäftigt er sich wieder mit den „Szenen aus Goethes Faust“ und beginnt an seiner einzigen Oper „Genoveva“ nach Tieck und Hebbel zu schreiben. 1847 stirbt unerwartet Mendelssohn, was Schumann zutiefst betroffen macht.
Das Jahr der europäischen Revolutionen wird zu einem der produktivsten Jahre für ihn. Er vollendet „Genoveva“. Einen Tag später beginnt er mit der Vertonung von Byrons „Manfred“ und beschließt die dritte Abteilung der „Szenen aus Goethes Faust“. Viele Stoffe, die Schumann verwendet, kreisen um das Thema Erlösung. Neben diesen großen Werken entsteht auch das Album für die Jugend op.68 und die Waldszenen op.82.

In Dresden fühlt sich die Familie Schumann zunehmend isoliert. Sein „Requiem für Mignon“ nach Goethe oder die dritte Abteilung aus der Faust Vertonung werden zu Goethes hundertstem Geburtstag nicht aufgeführt, ebensowenig seine Oper „Genoveva“. Ein Angebot Hillers Schumann zu seinem Nachfolger als Musikdirektor in Düsseldorf vorzuschlagen, nimmt Schumann deshalb an. Nach der Uraufführung der Genoveva in Leipzig, die nur ein Achtungserfolg wird, zieht die Familie nach Düsseldorf.

Doch seine Tätigkeit als Dirigent stößt bald auf Schwierigkeiten. Seine Schweigsamkeit, seine enorme Kurzsichtigkeit, die damals mit einer Brille nicht zu beheben war, seine leise Stimme, und seine mangelnde Fähigkeit, mit Musikern zu arbeiten, führen zu Disziplinlosigkeiten. All seine Kräfte setzt er in seine wahre Berufung. Er schreibt seine dritte Sinfonie, die von seinem ersten Biographen Wasielewski, der auch Konzertmeister in Düsseldorf ist, „die Rheinische“ genannt wird. Es ensteht das Cellokonzert op.129 und er arbeitet weiter an den Faust Szenen. 1851 komponiert er u.a. Violinsonaten, „Der Rose Pilgerfahrt“ ein musikalisches Märchen für Soli, Chor und Orchester und die Phantasiestücke op.111 für Klavier.

Schumann beschäftigt sich auch immer wieder mit den früher komponierten Klavierwerken, und läßt Zweitfassungen veröffentlichen, die in der Aussage noch konzentrierter sind, besonders auffallend in den Impromptus op.5, den Sinfonischen Etüden op.13 und der f-Moll Sonate op.14. Als Bunte Blätter op.99 und Albumblätter op.124 veröffentlicht er eine Sammlung von älteren Kompositionen.

Gegen Ende seines Lebens vertont Schumann biblische Texte. Er komponiert die Messe op.147 und das Requiem op.148. 1853 schreibt er u.a. ein Konzert-Allegro für Klavier und Orchester op.134 in d-Moll, ein Werk, das großen Einfluß auf das d-Moll Klavierkonzert von Brahms ausübt, eine Fantasie für Violine und Orchester op.131 und er beendet die Szenen aus Goethes Faust.

Die Familie Schumann hat in dieser Zeit sechs Kinder. Seinen drei ältesten Töchtern Julien, Elise und Marie widmet er jeweils eine Klaviersonate für die Jugend op.118. Die Fughetten op.126  und Die Gesänge der Frühe op.133 sind die letzten zu Schumanns Lebzeiten veröffentlichten Klavierwerke. Im Düsseldorfer Karneval von 1853 wird eine Kampagne gegen Schumann aufgezogen. Sein letzter Erfolg als Dirigent und Komponist ist die Aufführung seiner umgearbeiteten d-Moll Symphonie. Der Geiger Josef Joachim tritt mit Beethovens Violinkonzert auf. Am 30.Juli 1853 erleidet Schumann plötzlich einen Anfall („Nervenschlag“). Über Joachim lernt Schumann Johannes Brahms kennen, den er in einem letzten begeisterten Artikel für die NZfM als einen „Berufenen“ bezeichnet. Im November teilt der Musikverein mit, daß er nur noch seine eigenen Werke dirigieren darf, eine höfliche Form der Entlassung. Daraufhin geht Clara auf eine erfolgreiche Konzertreise nach Holland, zu der sie Robert begleitet.

1854 komponiert er noch ein Thema mit unvollendeten Variationen für Klavier. Das Thema ist verwandt mit dem Lied „Frühlingsankunft“ („Nach diesen trüben Tagen, wie ist so hell das Feld!“) und dem zweiten Satz aus dem Violinkonzert. Am 6.Februar 1854 schreibt er an Joachim: „Die Musik schweigt jetzt - wenigstens äußerlich... Nun will ich schließen, es dunkelt schon, mit sympathetischer Tinte habe ich Euch oft geschrieben und auch zwischen den Zeilen steht eine Geheimschrift, die später hervorbrechen wird.“ Gehörshalluzinationen quälen seinen Geist. Er wird Tag und Nacht beobachtet. Am Rosenmontag 1854 entkommt er unbeobachtet. Er  möchte zurückkehren zur Natur, zum Vater Rhein. "Und mir träumte, ich wär im Rhein ertrunken." (Tagebucheintragung vom 13.5.1829, 25 Jahre vor seinem Selbstmordversuch ) Erwirft seinen Ehering ins Wasser und stürzt sich in den Rhein. Er wird gerettet, für unmündig erklärt, und in die Nervenheilanstalt Endenich eingeliefert. Dort wird er vollkommen isoliert.

Schumann hatte schon 1833 nach einer Malariaerkrankung, 1839 während des Streits mit Wieck und 1844 nach der Rußlandreise ähnliche psychische Zusammenbrüche. Durch die Beschäftigung mit Musik konnte er diese Leidensphasen überwinden. Sein Arbeitspensum war enorm. Die glücklichste Zeit war für ihn zweifellos die erste Zeit der Ehe mit Clara gewesen („Frühlingssinfonie“). Clara selbst schien erst 1839 das Genie ihres Geliebten voll aufgegangen zu sein. Danach unterstützte sie ihn auch selbstlos in schwierigen Situationen. Mit den Einnahmen ihrer Konzerte rettete sie oft die kritische wirtschaftliche Situation. Acht Kinder hat sie geboren, sieben aufgezogen. Mit all ihren praktischen Fähigkeiten löste sie viele Probleme der Familie.

Nach dieser Katastrophe wohnt Brahms eineinhalb Jahre bei Clara Schumann, um behilflich zu sein. Clara besucht ihren Mann in Endenich erst wenige Tage vor seinem Tod zweieinhalb Jahre später. Der briefliche Bericht von Bettina v. Arnim, der die Gesänge der Frühe op.133 gewidmet sind, und die Schumann 1855 in Endenich besucht und ihn als beinahe gesunden Mann schildert, stimmt nachdenklich. Ebenso seine Briefe an die Verleger und seine ermunternden Briefe an Brahms, der ihn auch mehrfach besucht. F. Liszt widmet ihm noch sein größtes Klavierwerk, die h-Moll Sonate. Ende 1855 geht es Schumann immer schlechter. Das Schriftbild seines letzten Briefes an Clara ist ungewöhnlich klar. Am 29.Juli 1856 stirbt er. „Das Andenken Schumanns ist mir heilig. Der edle reine Künstler bleibt mir stets ein Vorbild, und schwerlich werde ich je einen bessern Menschen lieben dürfen - hoffentlich auch nie ein schreckliches Schicksal in so schauerliche Nähe treten sehen - so mitempfinden müssen.“  Johannes Brahms